wortlos & klangvoll

Kör­per, Mate­ri­al, Raum und Klang stan­den in zwei Insze­nie­run­gen des drit­ten Uni­dram-Abends im Zen­trum. Und: Beim Tanz­thea­ter mit Live­mu­sik – Zug­Zwang von Lau­ro – und dem Zir­zen­si­schen Spa­zier­gang "OI+IO" von Mül­ler & Mül­ler kam man gänz­lich ohne Wor­te ans Ziel.

Bei dem ita­lie­ni­schen Geschwis­ter­paar Eli­sa­bet­ta und Gen­na­ro Lau­ro bestand die­ses (ver­mut­lich) dar­in, ihr nahe­zu immer glei­ches mini­ma­lis­ti­sches Tan­zen, das die bei­den lan­ge neben­ein­an­der auf­führ­ten und das sie nicht in Reso­nanz mit­ein­an­der brach­te, ganz all­mäh­lich auf­zu­ge­ben und wie beim Schach­spiel durch "Zug­zwang" alles zu gewin­nen oder auch zu verlieren.

Lau­ro, Zug­Zwang ©Ric­car­do Panozzo

In die­ser sog­ar­ti­gen, sehr prä­zi­sen Stu­die spiel­te wahr­schein­lich die Live-Musik von Ame­deo Mon­da  eine ent­schei­den­de Rol­le, die die bei­den Tänzer*innen kör­per­lich und vor allem men­tal näher und schließ­lich zum Kon­takt- und Syn­chront­an­zen brach­te. Ob dies ein Gewinn oder Ver­lust war, liegt (auch) im Auge des Betrachters.

Die bei­den Namens­vet­ter (Roman) Mül­ler &  (Jörg) Mül­ler waren aus ganz ande­rem Holz geschnitzt. Die­se bei­den grau geklei­de­ten Artis­ten, einer mit Glat­ze und einer mit Dutt, tra­ten im Vor­raum der Wasch­haus-Are­na vor ihr Publi­kum und luden es mit einer locker-läs­sig gemein­sam dar­ge­brach­ten "Gebrauchs­an­wei­sung" dazu ein, ihre ers­te Gemein­schafts-Instal­la­ti­on in der Are­na zu betreten.

Müller&Müller, OI+IO ©Luca Schaffner

Schon im Foy­er bekam man einen Appe­ti­zer und den Vor­ge­schmack auf das, was einen erwar­te­te. Der frü­he­re Dia­bo­lo-Vir­tuo­se Roman Mül­ler brach­te nach­ein­an­der eini­ge von die­sen in Rota­ti­on und setz­te sie auf dem Hals einer E‑Gitarre ab, wo sie eine eigen­wil­li­ge Ton­spur erzeug­ten. Mit­ten in die­ser Akti­on fuhr plötz­lich Jörg Mül­ler bäuch­lings auf einem Roll­brett lie­gend durchs Publi­kum und stieß sich immer wie­der mit sei­nen Hän­den an den Knö­cheln von Umste­hen­den ab.

Die Lust an Dekon­struk­ti­on und Anar­chie – nicht nur der Umgangs­for­men – durch­zieht die gan­ze groß­ar­tig ver­spiel­te Show, die aus meh­re­ren Sta­tio­nen besteht, die sich in der lee­ren Are­na wie ein Par­cours ver­teil­ten und vor allem an gespann­ten Sei­len am Boden und im Raum zu iden­ti­fi­zie­ren waren.

Müller&Müller, OI+IO ©Ber­na­dette Fink

Die hel­len Dia­bo­lo-Scha­len – dies­mal hal­biert – sind dort bei­spiels­wei­se sehr sorg­fäl­tig zu einer Pyra­mi­de auf­ge­schich­tet. Wie von Zau­ber­hand fal­len sie in sich zusam­men und schließ­lich das gan­ze Werk vom Tisch. Augen­blick­lich fällt ein Besen vom Him­mel, der aber nicht den gan­zen Hau­fen fein säu­ber­lich zusam­men­kehrt, son­dern selbst Lust am Klang und an der eige­nen Bewe­gung fin­det. Mal hört sich das an wie Fla­men­co-Klän­ge und dann mutiert das Ding zum rasen­den Flugobjekt.

Die mehr­fach zusam­men­ge­setz­te Metall­stan­ge, die spä­ter in einem Faden­kreuz am Boden steht, wird hin­ge­gen von bei­den Mül­lers bewegt und auch sie zer­fällt all­mäh­lich in alte bzw. neue Ein­zel­tei­le und erzeugt dann als dar­aus auf­er­stan­de­nes Mobilé einen unge­mein hel­len Klang.

Eine unbän­di­ge Lust am Spie­len, Expe­ri­men­tie­ren und Dekon­stru­ie­ren ist bei­den Mül­lers deut­lich anzu­mer­ken und man darf gespannt sein, was die­ses Duo abseits vom moder­nen Nou­veau-Cir­que-Main­stream noch alles aus­pro­bie­ren wird. Ihr "OI+IO"-Projekt mach­te jeden­falls Rie­sen­spaß und hat­te auch noch einen gewal­ti­gen Nach­klang – mit den bei­den rotie­ren­den Schlag­zeug-Becken am Waschhaus-Arena-Fußboden.

Astrid Priebs-Trö­ger

08. November 2024 von Textur-Buero
Kategorien: Allgemein, Performance, Tanz | Schlagwörter: , , , | Schreibe einen Kommentar

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